Wie entstand die Sprache? – Die Frage des Tages

 

Laute eröffnen Menschen die Möglichkeit, dem, was sie wahrnehmen, eine sprachliche Form zu geben, Beziehungen und Vorgänge zu beschreiben. Die Lautsprache ist nicht nur ein Mittel, Gedanken und Gefühle mitzuteilen, sondern drückt auch aus, welches Bild von der Welt und den dort herrschenden Verhältnissen Menschen haben. Die Frage, wie die Sprache entstanden ist, beschäftigt Forscher schon lange. Auch Tiere wie Affen erzeugen Laute. Was lässt sich von ihnen über die Ursprünge der Sprache lernen?

Antwort: Zu den Merkmalen der menschlichen Sprache gehört die sogenannte Syntax. Dieses Fremdwort verwenden Sprachwissenschaftler immer dann, wenn es um den Satzbau geht, die Fähigkeit, aus verschiedenen Wörtern grammatikalisch richtige Sätze zu bilden. Sätze enthalten zum Beispiel Substantive und Verben. Substantive bezeichnen Dinge, Lebewesen, Sachverhalte oder Ähnliches. Verben drücken aus, was damit geschieht. Allgemeiner formuliert: Sprache besteht aus Elementen, zwischen denen strukturelle Abhängigkeiten bestehen. Vergleichbare Abhängigkeiten gibt es auch zwischen den Tönen einer Melodie. Menschen besitzen die Fähigkeit, solche Abhängigkeiten wahrzunehmen. Weil auch Affen eine Vielzahl von Lauten produzieren, liegt die Frage nahe, ob auch sie dazu in der Lage sind. Eine Forschergruppe um Stephan A. Reber und Vedrana Slipogor hat dies bei Weißbüscheläffchen untersucht, deren natürliche Heimat Wälder im Nordosten Brasiliens sind. Aus ihren Experimenten, die sie im Fachjournal „Evolution and Human Behavior“ vorstellen, ziehen die Wissenschaftler den Schluss, dass die Empfänglichkeit für strukturelle Abhängigkeiten bereits bei den gemeinsamen Vorfahren von Weißbüscheläffchen und Menschen existiert haben könnte.

Affen wie die Weißbüscheläffchen, deren Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent liegt, werden als Neuweltaffen bezeichnet. Ihr Entwicklungsweg trennte sich vermutlich bereits vor mehr als 30 Millionen Jahren von dem der Altweltaffen, das heißt der in Afrika und Eurasien heimischen Affen, zu denen aus biologischer Sicht auch der Mensch gehört.

Um herauszufinden, ob Weißbüscheläffchen strukturelle Abhängigkeiten erkennen, spielten Reber und seine Kollegen solchen Tieren zunächst Hunderte Sequenzen aus Pieptönen vor, die allesamt eines gemeinsam hatten: Sie begannen und endeten mit einem tiefen Ton. Unterschiede gab es bei der Anzahl der hohen Töne, die zwischen den tiefen zu hören waren. Die tiefen Töne standen für die strukturelle Abhängigkeit. Nachdem den Affen dieses Muster immer wieder von Neuem begegnet war, präsentierten ihnen die Forscher unter anderem Sequenzen, bei denen der tiefe Ton am Anfang oder am Ende fehlte. Das heißt: Hier fehlte die strukturelle Abhängigkeit. Die Reaktion der Tiere auf die unterschiedlichen Tonfolgen ermittelten die Forscher, indem sie feststellten, wie oft sie ihren Blick gen Lautsprecher richteten. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler unterschieden die Weißbüscheläffchen tatsächlich zwischen den Sequenzen. Wenn sie Sequenzen mit strukturellen Abhängigkeiten hörten, drehten sie sich häufiger zum Lautsprecher.

Die Universität Wien zitiert die Biologin Vedrana Slipogor in einer Mitteilung zu der Studie mit dem Hinweis, dass eine vergleichbare Vorliebe für vertraute Sequenzen auch in Studien mit Kleinkindern beobachtet worden sei. Die Reaktion der Affen sei insofern überraschend gewesen, als solche Tiere normalerweise stärker auf unerwartete Reize ansprächen. Sie hätten also eigentlich eher auf die ungewohnten Sequenzen ohne strukturelle Abhängigkeiten reagieren müssen.

Zu den Autoren der neuen Studie gehört auch der Wiener Biologe W. Tecumseh Fitch, der sich in den vergangenen Jahren bereits in anderen Arbeiten mit den Wurzeln der Sprache befasst hatte. Ausgangspunkt war dabei unter anderem die Beobachtung, dass viele Affen mit den Lippen schmatzen, wenn sie Artgenossen von Angesicht zu Angesicht begegnen. Dabei handelt es sich um ein leises Geräusch, das nicht mit der Bildung von Lauten durch Schwingungen der Stimmlippen verbunden ist. Was genau geschieht, wurde mithilfe von Röntgenfilmen untersucht. Diese zeigen schnelle, aufeinander abgestimmte Bewegungen der Lippen, des Kiefers, der Zunge und des Zungenbeins. Die Bewegungen, die das Schmatzen der Lippen erzeugten, seien dem Wechsel von Vokalen und Konsonanten – also der Bildung von Sprecheinheiten beziehungsweise Silben – auffallend ähnlich, erklärte Fitch. Aus ihren Daten zogen er und andere Experten den Schluss, dass der Ursprung der menschlichen Sprache in einer entwicklungsgeschichtlichen Kombination aus der Lautbildung mithilfe von Stimmlippen und schnellen erlernten Bewegungen, des Vokaltrakts liegt.

 

Ein Beitrag unserer/s Leserin/s Volker Blesch aus Iserlohn in Nordrhein-Westfalen.
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