Singen macht stark

Ob unter der Dusche, im Chor oder auf der Party: Singen tut einfach gut. Das Klingen der Stimmbänder taktet unsere Körperrhythmen neu und hilft auch gegen Depressionen.

Erst mal lockern: Schultern kreisen, abwechselnd den rechten, dann den linken Arm zur Decke strecken, und ruhig atmen. Danach einsingen: Naaa-Neee-Niii-Nooo-Nuuu und höher Naaa-Neee-Niii-Nooo-Nuuu …

Ein paar Stimmübungen später fordert die Chorleiterin „ein Glissando auf dem A, bis es knackt“. Die Sängerinnen stimmen sich aufs A, hallen es, halten, halten, und lassen den Ton langsam die Stimmbänder herabrutschen, bis nur noch ein Knarzen zu hören ist.

So oder ähnlich beginnt jede Probe beim Frankfurter Frauenchor „Choralle“, der vor 17 Jahren von der Sängerin Hanna Klein gegründet wurde. Warum sie sich jeden Montagabend zum Singen treffen? „Mir tut´s gut. Oft komme ich müde her und gehe wach wieder nach Hause“, antwortet eine, „Es entspannt mich, gibt mir innere Kraft“, eine andere. Es sind rund dreißig Frauen, im Alter von 25 bis 65. So unterschiedlich ihre Berufe sind, das Singen bringt sie auf eine Wellenlänge. Das teilen sie mit über einer Million Menschen, die bundesweit in den bunt gemischten Chören des Deutschen Chorverbands singen. Da wird gerockt, gejazzt, gejodelt und natürlich auch Kammermusik gesungen.

Wie Antidepressiva

Und das Gehirn sorgt für den Spaß: Quasi als Belohnung schüttet es Endorphine, sogenannte „Glückshormone“ aus, wie Tests aus der Hirnforschung zeigen. Laut Musiktherapeut Wolfgang Bossinger hilft Singen dadurch depressiven Patienten genauso gut wie Antidepressiva, aber ohne Nebenwirkungen. „Wer einen Kanon singt, kann nicht nachgrübeln“, bringt er die Wirkung auf den Punkt.

Durch Singen werden Gefühle verarbeitet, weiß der Ulmer Therapeut aus langjähriger Praxis. Dafür reiche es schon, zu „Chanten“, wie er das Singen ohne Noten nennt. Dabei werden einfach Töne oder Vokale gesungen. Bossinger empfiehlt diese entspannende Methode jedem und jederzeit. Seit 2009 engagiert sich Bossinger mit dem Projekt „Singende Krankenhäuser“ dafür, dass die heilsame Wirkung des Singens gezielt in Einrichtungen wie Kliniken, Altersheimen oder Psychiatrien genutzt wird.

Massage von innen

Das Klingen der Stimme wirkt nämlich nicht nur nach außen. Kontrolliertes, tiefes Ein- und Ausatmen beim Singen erneuert die Luft in den Lungen gründlicher als sonst. Man lässt im wahrsten Sinne Dampf ab. Das kann sehr wichtig sein, denn unsere Nerven- und Blutdrucksysteme beruhen auf den Prinzipien Anspannung und Entspannung. Unter Stress überwiegt ein ungesund langer, angespannter Zustand, der uns in Urzeiten auf die Flucht vor wilden Tieren vorbereitete. Durch die Verlangsamung der Atmung beim Singen wird wieder auf Entspannung umgestellt. Dazu trägt auch die Zwerchfellatmung bei. Sie massiert sanft die Bauchorgane – wie
beim Yoga oder Radfahren.

Gut für das Immunsystem

Keine Nebenwirkungen? Klar, aber alles positive: Zum einen profitiert unser Haupttaktgeber, das Herz. Es produziert nämlich keinesfalls nur ein immergleiches Bumm-Bumm, sondern passt sich je nach Stimmung einem schnelleren Blutdruck oder der ruhigeren Atmungsfrequenz an, zum anderen wird das Immunsystem gestärkt. Es wurden Speichelproben von Chorsängern vor und nach dem Singen des Requiems von Mozart, sowie beim passiven Anhören derselben Musik untersucht. Ergebnis: „Aktives Singen wirkt sich emotional eher positiv aus und fördert die Produktion von Immunglobulin A im Speichel.“ Ein Stoff, der die Atemwege vor Infektionen schützt. Einzige Bedingung: Es muss Spaß machen. Das ist alles? Na dann: Lasst euch hören! Trainiert unter der Dusche, beim Radeln oder auf der nächsten Party. Parole: Singen, Swingen, Wohlfühlen.

Stimmbänder sind Muskeln und die kann man trainieren

Man kann sich im Verein „Singende Krankenhäuser“ sowie im Netzwerk „Il Canto del Mondo“ für eine „neue Alltagskultur des Singens“ engagieren.

Werben in verschiedenen Projekten für das Singen – warum?

Singen ist ein Lebenselixier. Denn der Schall wirkt über Ohren und Hörnerv direkt auf das emotionale Gehirn und das vegetative Nervensystem. Die Atmung, das gesamte Herz-Kreislaufsystem, aber auch die Seele werden beeinflusst – der Mensch fühlt sich ausgeglichener. Die jüngste Forschung zeigt, dass Singen im Vorschulalter sogar soziale Kompetenzen stärkt und auch kognitive Fähigkeiten anregt.

Was bringt einem die Musik?

Dass Singen helfen kann, das innere Gleichgewicht zu finden. Musik ist heute stark mit Perfektion verknüpft. Es gibt viele Menschen, die gern singen würden, sich aber nicht trauen. Daher kann man nach zwei Leitsätzen arbeiten: Es gibt keine Fehler beim Singen, nur Variationen. Und: Jeder kann singen. Denn Stimmbänder sind letztlich Muskeln und die kann man trainieren.

Tipps im Internet:
www.singende-krankenhaeuser.de
www.healingsongs.de

 

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Ein Beitrag unserer/s Leserin/s Lars Billing aus Hirschau in Bayern.
Sämtliche Bezeichnungen auf dieser Webseite richten sich an alle Geschlechter.

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