Herbst- und Winterzeit ist Kohlzeit. In Bremen und umzu, sowie dem Oldenburger Land huldigen die Menschen einer besonderen Variante: dem Grünkohl. Die gekochte regionale Spezialität wird meist mit Kartoffeln, Pinkel, Kochwurst und Kasseler genossen – ein saisonaler Schmaus, den sich viele Norddeutsche nicht entgehen lassen. Auch für Vegetarier und Veganer gibt es schmackhafte Optionen.
In den Kalendern vieler Menschen stehen für die nächsten Wochen und Monate Restaurantbesuche und Kohltouren. Die deftige Mahlzeit ist für etliche Nordlichter ein kulinarischer Höhepunkt des Jahres. Manch einem läuft schon vor Start der Kohlsaison beim Gedanken daran das Wasser im Munde zusammen.
Kauf, Lagerung, Zubereitung
Wie erkennt man im Geschäft frische Ware? Die Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) empfiehlt Verbrauchern, beim Grünkohleinkauf stets auf dunkelgrüne, feste Blätter zu achten. Als Wintergemüse fühlt er sich in der Kälte besonders wohl. Der Kühlschrank ist der ideale Ort zur Aufbewahrung. Dort bleibt das Grün bis zu einer Woche knackig. Um den Kohl zuzubereiten, werden die einzelnen Blätter vom Strunk geschnitten und gründlich gereinigt. Die dickeren Blattenden sollte man laut BVEO dreiecksförmig entfernen, da sie mitunter etwas zäh schmecken können.
Pinkel
Die Grützwurst Pinkel gehört für Fleischesser einfach zum Grünkohlessen dazu. Laut der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft ist Pinkel der Mastdarm vom Schwein, in den eine pikante Mischung aus Hafergrütze, Nierenfett und frischem Schweinespeck gefüllt wird. Die genaue Rezeptur fällt allerdings bei jedem Schlachter anders aus und wird meist geheim gehalten. Neben der Bremer Pinkel gibt es auch noch die Oldenburger Variante, die zudem Fleisch enthält.
Vegetarier und Veganer müssen deswegen aber nicht nur Kohl mit Kartoffeln essen. Für sie gibt es längst entsprechende Varianten, die ohne tierische Produkte auskommen. So ist etwa im Handel eine vegane Wurst erhältlich, die aus den Zutaten Fett, Hafergrütze, Zwiebeln, Meersalz, Gewürzen, Kunstdärme und Rauch hergestellt wird.
Herkunft
Laut Artefakt, einer regionalen Kampagne, die sich unter anderem mit Olivenöl beschäftigt und die sich auch für ideelle Projekte engagiert, kann sich trotz der regionalen Kohltradition Norddeutschland oder Niedersachsen nicht rechtmäßig als Herkunftsregion des Grünkohls bezeichnen. Der Grünkohl ist ein sehr altes Gemüse, dessen Herkunft sich im Mittelmeerraum feststellen lässt, so Artefakt. Ob er eher aus Kleinasien und Griechenland oder dem heutigen Marokko vom Fuße des Atlasgebirges kommt, soll noch umstritten sein, nicht jedoch, dass es die Römer waren, die es in ihrem Imperium verbreiteten. Artefakt zufolge finden sich heute in allen Anrainerregionen des Mittelmeeres Grünkohlpflanzen und auch an den Küsten Frankreichs und in England, teils noch als Wildpflanzen wie auf den Klippen Helgolands, was dem Grünkohl den Namen „Helgoländer Wildkohl“ eingebracht hat.
Wir kennen das Wintergemüse mit krauser Blätterform, doch laut Artefakt hat er in der Urform und den mediterranen Ländern zumeist große und glatte Blätter. Das Farbspektrum reicht von Weinrot bis zu violetten Tönen. Grünkohl ist nicht nur winterhart, sondern auch frosthart. Da in Norddeutschland die Winter häufig nicht nur sehr lang anhaltend kalt sind, sondern auch trocken, ohne Schneedecke, dürfte dies Artefakt zufolge der Grund gewesen sein, ihm krause Blattformen anzuzüchten. In trockenen Frostperioden erfrieren die Pflanzen nicht, wie meist angenommen, sondern sie verdursten wegen des gefrorenen Bodens. Die krause Blattform „fängt“ den Schnee oder den morgendlichen Raureif besser und bietet einen gewissen Schutz dagegen. Vor der Ära der Saatgutkonzerne waren Bauern ihre eigenen Züchter, worin man den Ursprung der früheren Sortenvielfalt, nicht nur für den Grünkohl, vermutet. Diese spiegelt sich auch in den Ortsnamen der Sorten wider, zum Beispiel Diepholzer Blaustrunkkohl, der Rauderfehn, Holterfehn, Wittmund Klei oder Wittmund Sand. Wie Artefakt mitteilt, ist die einstige Vielfalt jedoch mit dem Einzug der industriellen Landwirtschaft zugunsten eines einzigen Vertreters verschwunden, dem Winterbor, wie er aller Orten auf den Feldern zu sehen ist. Im Winter köpft man ihn, verarbeitet das Gemüse zu Tiefkühlkost oder kocht es vor, um es in Gläser und Dosen zu füllen.
Gesellige Kohltouren
Es gibt wohl kaum einen Norddeutschen, der noch nie an einer Kohltour teilgenommen hat. Oft wissen nur die Organisatoren, wo genau die Wanderung enden wird, für den Rest, der Gruppe ist es eine Überraschung. Nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ geht es nicht nur ums Essen, sondern auch um das Laufen. Schnäpse und lustige Spiele sorgen für allerlei Kurzweil. Am Ziel angekommen, füllen sich die Kohlwanderer die Mägen, und derjenige mit dem größten Appetit wird Kohlkönig. Viele wählen Lokale, in denen man nach dem Essen noch kräftig das Tanzbein schwingen kann.
Die Mitglieder des Oldenburger Turnerbunds sollen bereits kurz nach dessen Gründung im Jahr 1859 die Tradition begonnen haben, an einem Wochenende im Winter einen Bollerwagen mit Wegzehrung zu beladen und boßelnd vor die Stadt zu ziehen, um schließlich, genau wie die Kohlfahrer heute, in einer gemütlichen Gaststätte einzukehren und Grünkohl mit Pinkelwurst zu schmausen. Natürlich nahmen die Turner auch gerne einen kräftigen Schluck dazu. Ebenso erfreuten sie sich anschließend an Musik und Tanz.
Andere Länder – andere Zubereitung
In den USA ist vor allem in der veganen Szene, aber auch unter Omnivoren Grünkohl überaus beliebt, wenn auch in anderer Zubereitungsform als hier und dies das ganze Jahr über. Die Foodie-Szene jenseits des großen Teiches schwört auf Leckereien wie Grünkohl-Salat, Grünkohl-Chips oder auf Grünkohl-Smoothies. Eine saisonale Tradition wie in Norddeutschland gibt es nicht, sondern man isst ihn dort das ganze Jahr über, weil er eines der gesündesten Lebensmittel der Welt mit Höchstwerten an Eisen, Kalzium und den Vitaminen C, A und K ist.
Der Blog GrüneSmoothies.de rät Gesundheitsbewussten, die kulinarisch aufgeschlossen sind, mit dem Gemüse ihre Abwehrkräfte zu stärken. Blog-Gründerin Svenja Weßeloh gibt ihren Grünkohl in den Mixer. Zusammen mit Früchten und Wasser wird er zu einem grünen Smoothie püriert. Der Vorteil ist laut Weßeloh, dass so alle hitzeempfindlichen Nährstoffe enthalten bleiben und der Grünkohl kann sein gesundheitliches Potenzial voll entfalten. Viele Amerikaner hätten nie gedacht, dass sie irgendwann Grünkohl trinken würden. Denn in gekochter Variante schmeckte er vielen Amerikanern nicht so richtig. Inzwischen sind viele Amerikaner aber von Grünkohl-Smoothies begeistert: Sie mögen den kernigen, ehrlichen Geschmack. Zusammen mit vollmundigen Früchten wie Kaki oder auch Apfel, ein wenig Zitrone mit Schale und Bananen ist das ein absolut beliebter Smoothie im Winter. Alle Zutaten werden in einem Hochleistungsmixer mit Wasser ca. 1 Minute püriert und fertig ist der gesunde Drink.
Mehr Eisen als Rindfleisch, mehr Kalzium als Milch
Neben dem guten Geschmack sorgt der Grünkohl auch für gute Abwehrkräfte, starke Nerven und Knochen. Grünkohl hat pro Kalorie mehr Eisen als Rindfleisch und mehr Kalzium als Milch. Von allen Kohlsorten liefert der Grünkohl uns am meisten Vitamin C und fördert mit seiner hohen Dosis an Antioxidantien die Zellneubildung. Die aus den USA stammenden Zubereitungsarten wie Grünkohl-Salat mit Granatapfel-Tahi
n-Dressing, frische Kale-Chips mit Olivenöl finden allmählich neben Grünkohl-Smoothies und -Säften auch ihren Weg in die deutsche Food- und Gastroszene.
Der Ernährungsinfodienst aid empfiehlt Aufgeschlossenen, einmal ein Grünkohlpesto zu probieren: Dafür wird der blanchierte Kohl mit gerösteten Mandeln und Knoblauch püriert. Anschließend gibt man Olivenöl, geriebenen Parmesan und etwas Salz und Pfeffer hinzu. Es passt perfekt zu Nudeln und Baguette. Das herbsüßliche Blattgemüse kann laut aid auch kurz in Salzwasser blanchiert und als Salat mit Oliven, Nüssen und getrockneten Tomaten serviert werden. Für eine leckere Beilage wird Grünkohl mit Apfelstückchen gedünstet und gerösteten Sonnenblumenkernen garniert. Der krause Kohl schmeckt laut der Experten aber auch in der Suppe, in der Quiche, im Strudel und als Wokgemüse.
Die Sehkraft stärken
Forscher am Uniklinikum Leipzig fanden 2013 als Ergebnis einer Langzeitstudie heraus, dass sich durch eine gezielte Ernährung die von vielen gefürchtete altersbedingte Makuladegeneration wirksam beeinflussen und die Sehkraft sogar verbessern lässt. Über ein Jahr wurden dafür erstmals 200 Teilnehmer mit einer speziellen Diät behandelt und begleitet. Die Ergebnisse stützen diese Erkenntnis.
Untersucht wurde der Effekt einer täglichen Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels mit einer Kombination aus Lutein, Zeaxanthin und Omega-3-Fettsäuren. Die Wissenschaftler sahen einen deutlichen Anstieg der Makulapigmente als Folge der Nahrungsergänzungsmitteleinnahme. Das Schwinden der wichtigen Pigmente stellt laut der Forscher in Verbindung mit dem Voranschreiten der Makuladegeneration. Grünkohl gilt als Lieferant für das Carotinoid Lutein, das zu den in der Studie gegebenen Nährstoffen gehörte.
Lesestoff zum Thema
Wer sich für Hintergrund Informationen über die Nährwerte und gesundheitlichen Vorteile des Grünkohls interessiert; kann sich in dem Buch „Grünkohl – Der Vitalstoff-Champion“ von Clea (Künstlername von Elodie Joy Jaubert) in die Materie einlesen. Es enthält zahlreiche Tipps zu Anbau, Lagerung und Zubereitung von Grünkohl und zeigt seine Vielseitigkeit in 28 vegetarischen und veganen Rezepten der internationalen Küche für rohköstlichen, kurz blanchierten und gegarten Grünkohl in salzigen und süßen Speisen. Das Buch ist im Hans-Nietsch-Verlag erschienen (ISBN: 3862643654) und für 9,90 Euro im Handel erhältlich.
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